hjs-press

Journalismus in Wort und Bild

Herbst in saarländischen Krankenhäusern

Kliniken gehen auf die Barrikaden gegen schleppende Zahlung der Kassen

Saarbrücken (hjs). Den saarländischen Krankernhäusern fehlen knapp 50 Millionen Euro. "Allein wir mussten einen Kredit von Millionen Euro aufnehmen, um unsere Gehälter zahlen zu können", mit diesen Worten umreißt Susann Breßlein, Geschäftsführerin des Klinikums Saarbrücken Winterberg, die Situation der saarländischen Krankenhäuser im Herbst 2002. Schuld an dem Missstand seien die Krankenkassen, da sie ausstehende Rechnungen nur zögerlich bezahlten. Die offenen Forderungen der Krankenhäuser an die Kassen hätten sich von etwas mehr als 31 Millionen Euro im März vergangenen Jahres auf knapp 50 Millionen Euro im Juni diesen Jahres erhöht. "Das ist eine Steigerung von mehr als 60 Prozent in etwas mehr als einem Jahr", so Hans-Joachim Backes, Geschäftsführer der Caritas Trägergesellschaft Saarbrücken mbH (cts).

"Das Fass ist am Überlaufen", Günter Möcks, der Geschäftsführer der saarländischen Krankenhausgesellschaft (SKG), dem Dachverband der saarländischen Akutkrankenhäuser, bringt die Situation auf den Punkt. Weiter: "Inzwischen haben einzelne Kliniken Klagen beim Sozialgericht eingereicht. Diese Forderungen betragen inzwischen mehr als fünf Millionen Euro." Dieses Geld fehle den Krankenhäusern. Möcks weiter: "Das sind laufende Betriebsmittel, aus denen wir unsere Mitarbeiter bezahlen müssen." Das Plus mit dem die Häuser im kommenden Jahr rechnen könnten, sei so gering, dass davon nicht einmal die tarifliche Steigerung der Löhne zu bezahlen sei.

Die Krankenkassen wehren sich gegen die Vorwürfe.

Armin Beck, Direktor der Saarbrücker Geschäftsstelle der Bundesknappschaft, erklärt, die Anschuldigungen der SKG seien so nicht haltbar. Bei der Bundesknappschaft habe man nur etwa zwei Prozent Außenstände. "Und das bringt kein Krankenhaus in ernste Schwierigkeiten." Man verwalte die Gelder der Versicherten treuhänderisch, da sei es das Recht der Versicherer, die Rechnungen der Krankenhäuser zu prüfen, bevor man zahle, so Becks Ansicht.

Problematischer für Kliniken seien die Außenstände der AOK im Saarland, nicht so sehr die der Knappschaft, meint auch Breßlein. "Die Knappschaft ist nur mit etwa acht Prozent am Umsatz aller Krankenhäuser beteiligt." Die AOK trage mit knapp 40 Prozent den Löwenanteil am Umsatz der saarländischen Kliniken. Weitere 40 Prozent entfielen auf die Ersatzkassen. "Aber auch deren Zahlungsmoral ist kaum besser", erklärt Günter Möcks. Die AOK hingegen bezeichnet die Vorwürfe als überzogen und irreführend. Die überwiegende Anzahl der unstrittigen Fälle sei überwiesen. Doch die Krankenhäuser führten auch diese weiterhin als Rückstände. "Ein großer Teil der ausstehenden Beträge ist damit zu erklären, dass der AOK im Saarland wichtige Unterlagen fehlen, um die Fälle abschließend zu bearbeiten und das fällige Geld zu überweisen", so Willi Gregorius, Pressesprecher der AOK. Man habe von den Krankenhäusern unter anderem medizinische Begründungen und Unterlagen zur Begutachtung durch den medizinischen Dienst der Krankenkassen, angefordert, die den Kassen jedoch noch nicht vorlägen. Fälle, die strittig seien würden in Gesprächen mit den einzelnen Krankenhäusern und der SKG geklärt.

Eine Ansicht, die Josef Hecken, Staatssekretär im Sozialministerium, bestätigt: "Die AOK zahlt dann nicht, wenn die Forderungen streitig sind." Doch oft gehe es nur um Beträge, die fünf oder zehn Prozent der Gesamtsumme ausmachten, wo dann aber die Kassen den gesamten Betrag zurückhielten. Da sei der Ärger der Krankenhäuser verständlich. Die AOK und andere kleinere, saarländische Kassen unterstünden der Rechtsaufsicht des Sozialministeriums. Daher habe er mehrfach versucht, im Streit zwischen Kassen und Kliniken zu vermitteln. Ansonsten sei es Sache des Sozialgerichts, in Streitfällen zu entscheiden, so Hecken.

Breßlein kritisiert weiter: "Die ersten Klagen, um unser Geld zu bekommen, haben wir vor mehr als einem Jahr eingereicht. Bisher haben wir noch keine Entscheidung vom Saarbrücker Sozialgericht erhalten." Dort weiß an um die Misere. "Bei uns gehen so viele Klagen ein, dass sich inzwischen drei Kammern mit Streitfällen aus der Krankenversicherung beschäftigen", sagt Karl-Jürgen Schneider, Vizepräsident des Sozialgerichts. Jeder Fall müsse einzeln geprüft werden, bevor er entschieden werde. Zur Zeit habe man viel zu wenig Personal, um die Flut der Klagen zügig zu bewältigen. Nach einer neuen Erhebung habe das Saarbrücker Sozialgericht die höchste Erledigungsrate bundesweit. Schneider weiter. "Ich komme mir manchmal vor, als stünde ich mit einem Teelöffelchen bewaffnet, einer Flutwelle gegenüber."

weitere Textproben >>