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Journalismus in Wort und Bild

Marathon mit Handballkleber

Stefan Strobel

Stefan Strobel will 2004 das Saarland in Athen vertreten
Berlin/Saarbrücken (hjs).

29. September 2002, Berlin Marathon Kilometer 32. Stefan Strobel keucht, von Anfang an hat er Tempo gemacht, hat sich mit seinem Konkurrenten aus Norwegen abgewechselt, mal er in dessen Windschatten, mal umgekehrt. Und er hat die Schwächen des Norwegers analysieren können: an Steigungen verliert der Skandinavier gegen den Saarländer. Jetzt kommt die ersehnte lange Steigung, jetzt kann er ihn auf den verbleibenden Kilometern immer mehr abhängen. Stefan Strobel kommt im Ziel an. Er bleibt unter der Marke, die er sich selbst gesetzt hat. In Zwei Stunden dreißig Minuten wollte er die 42 Kilometer bewältigen. Seine Zeit im Zieleinlauf: zwei Stunden, 29 Minuten und 52 Sekunden. Gratulation am Ziel, er ist soeben deutscher Meister geworden und der Hinweis: „Herr Strobel, bitte gleich zur Pressekonferenz.“ Damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet. Der Zug ist kurz nach dem Ende des Marathons gebucht. Also, noch schnell den Pressetermin hinter sich bringen. Dann ab ins Hotelzimmer, duschen und zum Zug nach Saarbrücken hecheln.

Stefan Strobel ist 25 Jahre alt, schreibt seine Diplom-Arbeit in Bioinformatik und seit dem 29. September deutscher Meister im Rollstuhl-Marathon seiner Behinderungsklasse. Vor 11 Jahren hatte er einen Badeunfall im Schwarzenbergbad, ein Halswirbel brach. Seither ist er querschnittsgelähmt. In den Armen kann Strobel einen Teil seiner Muskeln uneingeschränkt benutzen. Und das tut er seit 1996 ausgiebig.

Stefan Strobel

Es war in einer Reha-Klinik in Heidelberg-Schlierbach. Eine Sporttherapeutin sprach den jungen Mann an, ob er nicht Lust hätte, sich wieder sportlich zu betätigen. Vor seinem Unfall war Strobel aktiv in der Leichtathletik. Der Köder war ausgeworfen, mal sehen wann der Fisch, besser Stefan Strobel anbeißen würde. Kaum ein halbes Jahr später war in Erfurt ein Schnuppertraining für Rollstuhlrennen. Hier lernte er auch Heinrich Köberle kennen. „Köberle hat mich völlig beeindruckt“, so Strobel. Denn Köberle sei der erste, der es gewagt habe, mit einer solchen Behinderung einen Rollstuhl-Marathon zu versuchen. Ärzte hätten eine solche Leistung für unmöglich gehalten. Und Altmeister Köberle ermutigte den jungen Sportler. Strobel lächelt versonnen: „Köberle ist mein sportlicher Ziehvater.“ Denn er zeigte dem Nachwuchstalent, wie man den Rennrollstuhl auf Tempo bringt, auch wenn die Behinderung es nicht zulässt, die Arme vollständig zu benutzen. So hat Köberle, mit einem Freund zusammen Spezial-Handschuhe entwickelt. Mit Handball-Kleber eingeschmiert, übertragen diese Handschuhe die Antriebsbewegung der Handballen und der Arme sofort an die Räder. Damit können die Sportler ihre verbliebenen leistungsfähigen Muskeln beim Rennen optimal einsetzen.

Und auch den ersten Renn-Rolli hat Strobel von einem Freund von Köberle.
Inzwischen sind Stefan Strobel und sein blauer Flitzer eine feste Größe im Behinderten-Sport. "Ich fahre alle Distanzen, vom 200-Meter Rennen bis zum Marathon.“ Bei der Weltmeisterschaft in diesem Jahr im französischen Lille errang Strobel die Silbermedaille im 200-Meter-Rennen. Zwei weitere Medaillenchancen vergab der Saarbrücker. „Beim 1500-Meter Rennen habe ich nicht richtig aufgepasst, dadurch stürzten mein Konkurrent und ich." Auch beim Marathon in Lille kam das vorzeitige Aus durch einen Sturz, diesmal durch einen anderen unvorsichtigen Teilnehmer am Wettbewerb.

Wer solche Erfolge im Sport will, muss hart arbeiten. Jetzt im Herbst und Winter trainiert Stefan Strobel mehrmals in der Woche in der Leichtathletik-Halle der Universität, im Sommer auf der Rennbahn. Dazu kommt regelmäßige Krankengymnastik und Training für alle noch nutzbaren Muskelgruppen. Denn Stefan Strobel hat ein Ziel: er will 2004 in Athen bei den Paralympics, der Olympiade für Behinderte, teilnehmen und soweit wie möglich vorne liegen. Doch davor liegt noch die Europa-Meisterschaft in Assen im kommenden Jahr. Und dort muss er sich für Olympia qualifizieren, bevor er ein Flugticket nach Athen buchen kann.

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