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Journalismus in Wort und Bild

Krishna feiert Geburtstag - Abenteuer in Abentheuer

Endlich ist wieder Ruhe eingekehrt, in dem 500 Seelen-Dorf Abentheuer im Hunsrück. Shrishtikarta sitzt vor einem riesigen Bananen-Eis mit Sahne. Er kann wieder durchatmen, sein Eis genießen. Die letzten Gäste, die der Tempel in diesem Jahr zu Janmastami beherbergt hatte, haben sich mit ihren Zelte und Wohnmobilen in alle Winde zerstreut. Erst in etwa einem Jahr wird wieder ein solcher Andrang beim Radha-Krishna-Tempel etwa einen Kilometer ausserhalb von Abentheuer herrschen.

Das vergangene Wochenende stand ganz im Zeichen von Janmastami, eines der wichtigsten hinduistischen Feste. Man könnte es mit dem christlichen Weihnachten vergleichen, auch hier feiern die Gläubigen das Erscheinen ihres Gottes Krishna, dem Allanziehenden.

Eine weitere Gruppe Gläubiger ist stets Gast bei Janmastami: Männer und Frauen, die sich zu den Anhängern der Hare-Krishna-Bewegung zählen. Der Tempel bei Birkenfeld ist der größte Tempel in Deutschland, der die Gottheiten Radha-Krishna verehrt und den Hare-Krishna-Anhänger bewirtschaften. So zieht dieses Fest jedes Jahr hunderte Hindus aus Sri Lanka und Indien an, die im Dreiländereck Deutschland-Frankreich-Luxemburg leben.

In diesem Jahr bestand gleich doppelter Anlass zum Feiern. Denn mit Janmastami weihten die Gläubigen auch den Tempel offiziell ein. Kein Wunder also, dass 500 Gäste das Gelände rund um den Tempel bevölkerten. Und wenn Hindus feiern, dann ist alles im Überfluss da: Musik, Gesang und vegetarische Köstlichkeiten. Kinder mümmeln an einem Stück Pizza, lutschen Soße von dem frisch gebackenen Fladenbrot, während die Erwachsenen gespannt die Weihe des Kalash verfolgen. Diese Messingzinne wird in Zukunft den Tempel vor aller Unbill schützen, sie ist zugleich Symbol, dass der Tempel Krishna geweiht ist. Die Gläubigen singen die Sutren mit, waschen sich rituell, sind in Gebete versunken. Priester bitten den Segen Krishnas herab, auf den Kalash, den Tempel, das Wasser, die Speisen und alle Anwesenden.

Die Zinne ist nun auf dem Vordach des Tempels, Lieder, Musik, Beten und Lachen der Hunderte verklungen.

Shrishtikarta zieht Bilanz: "Es war wie in jedem Jahr, wir konnten viel zu spät anfangen mit den Vorbereitungen, die letzte Woche bestand nur aus Hektik, dennoch hat alles geklappt, weil alle an einem Strang gezogen haben." Alle, das sind die etwa fünfzig Anhänger von Hare-Krishna, die auf dem Anwesen rund um den Tempel, in Abentheuer selbst und der näheren Umgebung leben.

Was bringt einen Schweizer dazu, den elterlichen Betrieb zu verlassen und sich einer Sekte anzuschließen? Denn als Christoph Kraft, so der bürgerliche Name von Shrishtikarta, sich Anfang der Achtziger den Hare-Krishna-People anschloss, genoss diese Sekte einen eher zweifelhaften Ruhm.

Männer und Frauen in safranfarbenen Gewändern mit einem gelben Symbol auf der Stirn zogen durch alle etwas größeren Städte. Mit dem stets gleichen Lächeln, drängten sie Passanten, ihnen Bücher abzukaufen. Und jeder der sich auf ein Gespräch einließ und nur einen Funken Skepsis zeigte, wurde mit starken Worten und eingefrorener Freundlichkeit belehrt, wer hier im Besitz der ewigen Wahrheit war: Nur der, der nach dem Krishna-Bewusstsein strebte.

Shrishtikarta grinst, wenn er sich das wieder vor Augen hält: "Ja, damals waren die Krishnas noch sehr pubertär." Dies habe sich inzwischen sehr geändert. Aber auch er sei damals, Ende der Siebziger auf der Suche nach Inhalt für sein Leben gewesen. "Für mich war schnell klar, dass die Arbeit im Betrieb meiner Eltern mich nicht zufrieden stellt." So sei er nach Indien gereist, habe dort erste Kontakte mit dem Hinduismus gemacht. Nach langem Prüfen und Suchen habe er für ich sagen können: "Ein Anhänger von Hare Krishna zu sein, war genau das was ich wollte."

Srila Prabhupada, ein gebürtiger Bengale gründete 1966 die ISKCON (International Society for Krishna Consciousness, Internationale Gesellschaft für Krishna Bewusstsein) und damit eine der Jugendreligionen der siebziger und achtziger Jahre. Ihre Lehren sehen sich in der Nachfolge der uralten vedischen Schriften der Bhagavad-Gita sehen. Einige Kernpunkte wie das Krishna-Bewusstsein zu erreichen ist: Jeder Gläubige versucht Krishna mindestens 1728 pro Tag zu huldigen. Man verzichtet auf Rauschmittel jeder Art, auch Alkohol, Kaffee und Zigaretten. Ferner leben, die Krishna-Anhänger streng vegetarisch, verzichten auf Fleisch, Fisch und Eier, nicht aber auf Milch und einige Milchprodukte. Dazu dürfen die Hare-Krishnas Sexualität nur leben, um Kinder zu zeugen. Ansonsten müssen sie enthaltsam leben. Das alles mag für manchen recht freudlos klingen, doch die Hare-Krishna-Anhänger kochen exzellent, feiern gerne rauschende Feste, wie auch das Janmastami. Ziel aller Bemühungen und Feiern der Krishna-Anhänger ist es, die Liebe zu Gott in jedem wiederzuerwecken. Dadurch sei es möglich, ein friedliches Leben in Harmonie mit der Natur zu führen und zu den höchsten Stufen der Erleuchtung vorzudringen.

In den Jahren der Sturm und Drang-Zeit habe die Hare-Krishna Bewegung viele Fehler gemacht, sich anderen Menschen und deren Überzeugungen gegenüber ins Unrecht gesetzt. Die ISKCON habe in den letzten Jahren verstärkt frischen Wind durch die verstaubten Ideen fegen lassen, meint Shrishtikarta.

So sei man von der anfänglichen Praxis abgekommen, Jugendliche in den Tempel aufzunehmen. Menschen, die sich einer Hare-Krishna Gemeinschaft anschließen wollten, müssten eine abgeschlossene Ausbildung haben. Jüngere Aspiranten sei man nur bereit für einige Wochen aufzunehmen.

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Auch die rigorose Forderung, Anweisungen des Meisters unbedingt zu folgen, sei vom Tisch. "Da geht es inzwischen viel mehr darum, jede Anweisung des Meisters mit dem eigenen gesunden Menschenverstand zu prüfen, bevor der Schüler handelt", erklärt Shrishtikarta. Obwohl auch homosexuelle Gruppen in der Hare-Krishna-Bewegung existieren, bezweifelt Shrishtikarta, dass diese das volle Krishna-Bewusstsein erlangen könnten.

Gaura-bhavini, Shrishtikartas Frau, ist eingetroffen. Sie weiß, um die Stellung der Frau in der Bewegung. "In den ersten Jahren waren Frauen Beiwerk, durften nur hinter den Männern im Tempel stehen." Dieses Frauenbild, als dem Mann untertan, habe man überwunden. Frauen stünden nun neben den Männern im Tempel vor dem Altar. "Wir haben sogar durchgesetzt, dass Frauen Priesterin werden können", ergänzt Gaura-bhavini. Dennoch bleibe noch viel zu tun, um die Bewegung endgültig aus der Sekten-Ecke zu bringen.

Zwei Anhänger der Hare-Krishna in Abentheuer machen gerade vor, wie das gehen kann. In Abentheuer wird ein Gemeindehaus gebaut. Da die Gemeinde nicht mit Reichtümern überschüttet ist, geschieht das in Eigenleistung aller Mitglieder der Hunsrück-Gemeinde. Da sind auch die beiden Hare-Krishnas dabei, mauern Stein auf Stein und der Bürgermeister von Abentheuer, Klaus Goldt, wirft die Steine hoch. Das Gemeindeoberhaupt kommt mit den Bürgern hinduistischen Glaubens gut klar: "Anfangs waren die Bürger in unserem Dorf noch skeptisch." Dies habe sich inzwischen aber gewandelt, denn die Hare-Krishna-Anhänger seien offen und würden sich in der Gemeinde einbringen. So würden viele Bürger aus Abentheuer zu den sonntäglichen Feiern in den Tempel gehen. Und dann hat die Abentheurer noch was von den hinduistischen Neubürgern überzeugt: "Die Leute bei uns im Dorf sind begeistert von dem Essen."

Bei soviel Licht bleibt die Frage nach Schatten bei der Hare-Krishna-Bewegung. Die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages hörte 1997 die ISKCON an, und milderte einige ihrer Vorwürfe gegen ISKCON ab. So habe sich die ISKCON inzwischen verändert. "Insbesondere bei der ISKCON zeigen sich deutliche selbstkritische Bemühungen, in einen Dialog mit Kritikern, Eltern dem regionalen Umfeld und der Öffentlichkeit einzutreten", so die Enquete-Kommission. Dies beträfe vor allem die Rolle der Frau und das Abschließen vor der Umwelt in Form von Tempeln. Doch auch hier vermuten noch einige Kritiker, wie die Aktion für geistige und psychische Freiheit in Bonn (AGFP), eine Täuschung der Öffentlichkeit. Wer sich kritisch informieren will, ohne Menschen wegen eines anderen Glaubens ins Abseits zu drängen, kann sich selbst auf mehreren Wegen einen eigenen Eindruck verschaffen: Einmal einen Sektenbeauftragten befragen, im Internet bei www.religio.de oder ähnlichen Seiten nur für einige Wochen nachschauen und an einem Sonntag den Feiern in einem Tempel beiwohnen.

Foto Reportage "Indien im Hunsrück"